02.09.2025
EU-Sanktionierung deutscher Journalisten: „Falsche Angaben macht die
Bundesregierung sowieso niemals“
Die EU-Kommission hatte Ende Mai, mutmaßlich auf Initiative der Bundesregierung, drei Journalisten, alle deutsche Staatsbürger, massiv mit
Sanktionen belegt, unter anderem mit der Sperrung aller Privat- und Geschäftskonten. Gleichzeitig wurde betont, dass den Betroffenen ja der
Rechtsweg offenstände. Jetzt wurde allerdings zwei der betroffenen Journalisten, Thomas Röper und Alina Lipp, auch das Treuhandkonto, auf
welchem Geld für genau diesen Rechtsweg gesammelt wurde, gesperrt. Die NachDenkSeiten wollten auf der BPK wissen, wie die Bundesregierung
vor diesem Hintergrund sicherstellen will, dass einem deutschen Staatsbürger das Grundrecht auf Rechtsbeistand nicht verwehrt wird. Zudem kam
die Frage auf, wieso die Bundesregierung der EU-Kommission bei einem der Journalisten eine falsche Information zu dessen Staatsbürgerschaft
zukommen ließ.
Von Florian Warweg.
Hintergrund:
Am 26. August informierte der von der EU sanktionierte Blogger und „Kriegskorrespondent“ (so die Betitelung in der EU-Sanktionsliste) Thomas
Röper seine Leser darüber, dass die Bank das Spendenkonto, aus dem die rechtliche Auseinandersetzung mit der EU finanziert werden sollte,
gesperrt und die dort eingegangenen Gelder eingefroren hat.
Weiter führte er dazu aus:
„Die Anwälte argumentieren, dass die Möglichkeit, sich juristisch vertreten zu lassen, ein Grundrecht laut Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes ist, das
einem deutschen Staatsbürger nicht entzogen werden kann. Da ich unter Sanktionen der EU stehe und daher weder Anwälte noch Prozesskosten bezahlen
kann, wurde das Spendenkonto eingerichtet, damit ich mein im Grundgesetz verbrieftes Recht auf Rechtsschutz wahrnehmen kann.
So funktionieren Rechtsstaat und Demokratie in Deutschland und der EU. Man will die Menschen daran hindern, sich gegen die Verletzung ihrer
angeblich garantierten Grundrechte juristisch zur Wehr zu setzen und dazu werden weitere Grundrechte außer Kraft gesetzt.“
Das Treuhandkonto ist bis zum heutigen Tage gesperrt. Vor diesem Hintergrund mutet die „Antwort“ des federführend auf deutscher Seite für die
Sanktionen verantwortlichen Auswärtigen Amtes mehr als zynisch an:
„Dagegen gibt es einen Rechtsweg, den kann man auch beschreiten. Für die Aufwendungen, die dafür notwendig sind, können auch Ausnahmen von
diesen Kontensperrungen ermöglicht werden.“
Allen drei Sanktionierten wird von der EU-Kommission mit jeweils sehr fragwürdiger Begründung „koordinierte Informationsmanipulation“
vorgeworfen, die in direkter und indirekter Form die „Handlungen der Regierung der Russischen Föderation“ unterstützen würde.
Wieso erfindet die Bundesregierung eine falsche Staatsbürgerschaft?
Noch gravierender als bei Röper und Lipp zeigt sich der Fall des deutsch-türkischen Journalisten und Chefredakteurs von Red Media, Hüseyin
Doğru. Im Gegensatz zu den beiden Erstgenannten lebt er mit einer hochschwangeren Frau vollsanktioniert in Berlin. D.h., die Sanktionen, die
neben der Sperrung aller Konten auch ein umfassendes Ein- und Ausreiseverbot in den und aus dem gesamten EU-Raum umfassen, schlagen bei
ihm voll zu. Und hatten auch Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung seiner Frau, die mit Zwillingen am Ende einer Hochrisikoschwangerschaft
steht (Entbindungstermin ist diese Woche). Zudem wird bei ihm noch orwellianischer argumentiert: Mit seiner Berichterstattung über
propalästinensische Proteste in Deutschland hätte er „gewaltsame Demonstrationen indirekt unterstützt“ und damit „Handlungen der Regierung
der Russischen Föderation, die die Stabilität und Sicherheit in der Union und in einem oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten untergraben und
bedrohen“, Vorschub geleistet.
Die von der Bundesregierung an die EU-Kommission weitergeleiteten Informationen zur Rechtfertigung seiner Sanktionierung umfassten neben
Artikeln von taz und Tagesspiegel, die wiederum auf zuvor aus Behördenkreisen durchgestochenen „Hinweisen“ beruhten, auch die nachweislich
falsche Darstellung, dass es sich bei dem Chefredakteur von Red Media um einen türkischen Staatsbürger mit Wohnsitz in Istanbul handeln würde.
Doch dies ist nachweislich falsch. Doğru lebt in Berlin und hat ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Dieser Sachverhalt wird auch der
Bundesregierung von Anfang an bekannt gewesen sein. Deswegen stellt sich bis heute die Frage: Aus welchen Motiven gab die Bundesregierung,
mutmaßlich wissentlich, falsche Informationen mit Hinblick auf die Staatsbürgerschaft von Doğru an die EU-Kommission weiter? Zumindest ein Teil
der Antwort könnte darin liegen, dass die Sanktionierung eines vorgeblichen Nicht-EU-Bürgers innerhalb der EU-Kommission eingedenk des
massiven Grundrechtseingriffs, der damit verbunden ist, einfacher zu vermitteln gewesen ist.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 27. August 2025
Zusatzfrage Warweg
Die Frage richtet sich im Zweifel unter anderem an das Auswärtige Amt. Thomas Röper, der von der EU im Mai 2025 sanktioniert wurde – im EU-
Sanktionspaket ist von „Kriegskorrespondent“ die Rede -, wurde jetzt sein Spendenkonto von der Bank gekündigt, mit dem er sich sozusagen gegen
diese Eingriffe durch die EU-Sanktionierung wehren wollte. Da würde mich interessieren, wie vor dem Hintergrund, dass sowohl die Privatkonten
als jetzt auch das Spendenkonto zur Finanzierung des Rechtsweges qua EU-Sanktionierung eingefroren wurden, die Bundesregierung sicherstellen
will, dass einem deutschen Staatsbürger das Grundrecht auf Rechtsbeistand nicht verwehrt wird, wenn sowohl die privaten als auch die
Spendenkonten eingefroren sind. Auf welcher Grundlage soll er diesen Rechtsweg dann finanzieren können?
BPK-Vorsitzende Wefers
Es scheint sich ja mehr um eine juristische Frage als um eine Sanktionsfrage zu handeln, aber vielleicht kann jemand darauf antworten. Sagen Sie
nur, wer antwortet.
Zuruf Warweg
Federführend ist das AA bei dieser Sanktionsnummer.
Vorsitzende Wefers
Wer da antworten möchte, kann die Regierung auch selbst entscheiden.
Giese (AA)
Ich würde sagen, federführend zuständig für das, was Sie als „Sanktionsnummer“ bezeichnen, ist die Europäische Union. Das sind ja EU-
Sanktionen. Die haben bestimmte Gründe. Die kann man in der Begründung der Sanktionierung der Personen nachlesen. Dagegen gibt es einen
Rechtsweg, den kann man auch beschreiten. Für die Aufwendungen, die dafür notwendig sind, können auch Ausnahmen von diesen
Kontensperrungen ermöglicht werden.
Zusatzfrage Warweg
Aber diese Ausnahmen werden ja offensichtlich nicht gemacht.
Dann habe ich noch eine generelle Verständnisfrage. Wir hatten ja auch schon öfter den Fall des deutschen Staatsbürgers und Chefredakteurs von
„Red Media“ besprochen, der ebenfalls von der EU – mutmaßlich auf Initiative der Bundesregierung – sanktioniert wurde, und zwar mit Verweis auf
seine Berichterstattung über propalästinensische Proteste an deutschen bzw. Berliner Universitäten. Die Bundesregierung hat ihn mutmaßlich
wider besseres Wissen als türkischen Staatsbürger dargestellt. Jetzt ist er aber nachweislich und ausschließlich deutscher Staatsbürger. Da es ja
massive Auswirkungen hat, auch in der Umsetzung von EU-Sanktionen, ob es sich um einen EU-Staatsbürger handelt, der dann auch noch in
einem EU-Land lebt, oder um einen türkischen Staatsbürger, würde mich interessieren, wie es dazu kam, dass die Bundesregierung diese falsche
Angabe über die Staatsbürgerschaft von Hüseyin Doğru so an die EU weitergeleitet hat.
Giese (AA)
Da bin ich jetzt schon der Nächste in der Reihe, der fast alle Prämissen Ihrer Frage zurückweisen muss. Mutmaßlich falsche Angaben macht die
Bundesregierung sowieso niemals. Im Übrigen gilt das, was ich zu dem vorherigen Fall gesagt habe. Da gibt es natürlich Rechtsmittel. Es gibt
sowohl Rechtsmittel gegen die Sanktionierung selbst als auch gegen verschiedene Auswirkungen davon. Auch da gibt es humanitäre Ausnahmen,
um dieses Rechtsmittel zu bestreiten. Soweit ich weiß, gibt es da auch eine rechtliche Vertretung für den Herrn. Insofern sollte das alles klargehen.
Im Übrigen haben wir darüber hier schon sehr, sehr ausführlich gesprochen.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=138378
Die EU-Sanktionen gegen Lipp und Röper sind ein Skandal
22.05.2025
Ein Artikel von: Tobias Riegel - NachDenkSeiten
Die EU hat jetzt auch zwei deutsche Journalisten, die im Ausland leben, auf die Sanktionsliste gesetzt. Der Schritt ist ein Schlag gegen die
Meinungsfreiheit und andere Grundrechte. Zusätzlich illustriert der Vorgang die Heuchelei der EU bezüglich ihrer eigenen Phrasen von der
„Freiheit“. Vermutlich folgt das Vorgehen dem Motto: „Bestrafe einen, erziehe Hundert“.
Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Die Europäische Union hat am Dienstag ihr mittlerweile 17. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen – erstmals betroffen sind auch zwei
deutsche Staatsbürger, wie Medien berichten. Im Fokus stehen demnach die Journalistin Alina Lipp und der Autor Thomas Röper. Beide sollen laut
EU „russische Propaganda“ verbreitet und durch ihre Berichterstattung zu „destabilisierenden Aktivitäten“ beigetragen haben. Auf die konkreten
Inhalte der Sanktionen und ihre Folgen geht Thomas Röper etwa in diesem Artikel ein:
„Diese Sanktionen bedeuten laut dem ‘BESCHLUSS (GASP) 2024/2643 DES RATES‘ der EU erstens, dass ich nicht mehr in EU- Länder einreisen
darf. Für die Regelung gibt es eine Ausnahme, die lautet, dass die Bundesrepublik Deutschland selbst entscheiden darf, ob ich noch nach
Deutschland einreisen darf. Für alle anderen EU-Staate gilt für mich nun eine Einreisesperre.“
Röper ergänzt:
„Zweitens bedeutet das für mich laut dem Beschluss: ’Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum (von
Thomas Röper) stehen oder von (Thomas Röper) gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.’ Und es bedeutet weiter für alle anderen
Menschen: ‚(Thomas Röper) dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder
zugutekommen.‘“
Das sind massive und inakzeptable Angriffe auf Grundrechte. Röper weist zusätzlich darauf hin, dass er allen Spendern rate, erst einmal nichts
mehr zu spenden, weil sie sich sonst der Umgehung von Sanktionen schuldig machen könnten. In dem Artikel zählt er weitere, teils gravierende
Folgen für seine Tätigkeit und seine Person auf, weitere Infos hat er in seinem aktuellen Podcast zusammengefasst. Eine Erklärung der EU zu den
Sanktionen findet sich unter diesem Link.
„Bestrafe einen, erziehe Hundert“
Es geht bei der Beurteilung des Vorgehens der EU nicht um die journalistischen Inhalte von Lipp und Röper, sondern es geht um ein wichtiges
Prinzip. Würde es um die konkreten Inhalte gehen, dann wäre ein weites Feld der Sanktionierung eröffnet: Viele Bürger würden ein
„destabilisierendes“ Verhalten und den Vorwurf der Propaganda eher mit einigen Vertretern aus den deutschen und europäischen Mainstream-
Medien in Verbindung bringen: Schließlich erschüttern die mit ihrem Trommeln für Waffenlieferungen und einen sinnlosen Wirtschaftskrieg die
hiesige Gesellschaft viel stärker, als es Lipp und Röper je könnten, schon allein wegen der stärkeren Reichweite. Oder wie sieht es mit radikalen
pro-israelischen Stimmen aus, die den Krieg in Gaza anfachen? Diese Fragen sollen nur die doppelten Standards illustrieren, sie sind rein
rhetorischer Natur: Ich fordere keineswegs die Sanktionierung von irgendeinem Medium oder irgendeinem Journalisten.
Röper und Lipp machen aus ihren politischen Präferenzen kein Geheimnis. Diese Präferenzen stimmen zum Teil nicht mit meiner Meinung
überein, aber meine Meinung ist bei dieser Frage genauso irrelevant wie die Meinung von EU-Bürokraten. Solange kein Gericht nach seriösen
Kriterien Tatbestände wie persönliche Beleidigung oder Volksverhetzung etc. festgestellt hat, sind die Beiträge der Beiden als gegebenenfalls der
eigenen Meinung widersprechende Standpunkte hinzunehmen und auszuhalten. Und ohne ein solches seriöses Urteil bleibt das „Urteil“ der EU
über die beiden Journalisten selber ein Akt der Propaganda. Zumindest im Fall Alina Lipp stehen zwar fragwürdige Ermittlungen wegen
„Kriegspropaganda“ im Raum, die wegen fehlendem Zugriff aber ruhen und darum ebenfalls keine Orientierung geben.
Und wenn der Koloss EU angeblich Angst vor einer „Destabilisierung“ durch die beiden Blogger hat, dann sagt das auch viel über die innere
Verfassung des Staatenbündnisses und dessen offensichtlich bröckelnde Stabilität. Auf diesen Punkt ist Thomas Röper in diesem Artikel
eingegangen.
Die Entscheidung der Sanktionierung folgt meiner Meinung nach dem Motto „Bestrafe einen, erziehe Hundert“, Einschüchterung auch in Richtung
anderer Alternativmedien ist sicherlich erwünscht. Und wer nun meint, dieser Skandal sei keiner, weil es ja „die Richtigen“ trifft, der hat das Risiko
nicht erfasst, das in der selektiven Einschränkung der (allgemeinen) Meinungsfreiheit und in der Beschädigung von wichtigen Prinzipien der
Gleichbehandlung und anderen Grundrechten liegt.